Festigkeitsklassen von Schrauben & Muttern

Was bedeuten 4.6, 5.6, 8.8, 10.9 oder 12.9? Welche Festigkeit braucht meine Verbindung und warum haben Muttern andere Kennzeichnungen als Schrauben? Hier finden Sie alle Antworten.

Die Festigkeitsklasse definiert, wie belastbar eine Schraube oder Mutter ist. Sie bestimmt, welche Kräfte übertragen werden können und wie sich das Verbindungselement unter Zug, Druck oder wechselnden Belastungen verhält. In diesem Kapitel erfahren Sie, was die Zahlen bedeuten, wann welche Klasse sinnvoll ist und warum höhere Festigkeit nicht automatisch „besser“ ist.

⚙️
Mechanische Belastbarkeit

Die Festigkeitsklasse bestimmt Zugfestigkeit, Streckgrenze und Dehnung.

🏗️
Wahl nach Anwendung

Nicht jede Schraube darf hochfest sein – je nach Einsatz ist „weicher“ besser.

📏
Relevante Normen

Schrauben nach ISO 898-1, Muttern nach ISO 898-2 – unterschiedliche Kennzeichnungssysteme.

Was bedeutet eine Festigkeitsklasse wie „8.8“?

Die Festigkeitsklasse von Stahlschrauben besteht immer aus zwei Zahlen:

  • Erste Zahl × 100 = Mindestzugfestigkeit → bei 8.8 sind das 800 N/mm².
  • Zweite Zahl × Zugfestigkeit = Streckgrenze → 0,8 × 800 = 640 N/mm².

Eine 8.8 Schraube hält also:

  • Zugfestigkeit: mind. 800 N/mm²
  • Streckgrenze: mind. 640 N/mm²

Damit gehört sie zum Standard im Stahlbau, Maschinenbau und überall dort, wo hohe Kräfte auftreten.

Warum haben Muttern nur eine Zahl, z. B. „8“ – aber keine 8.8?

Muttern müssen eine Schraube nicht stärker ziehen können, sondern:

  • die Gewindetragfähigkeit sicherstellen
  • mindestens die gleiche Belastung aufnehmen wie die passende Schraube

Deshalb wird bei Muttern nur eine Kennzahl angegeben, z. B.:

  • 8 für Muttern, die zu Schrauben der Festigkeit 8.8 passen
  • 10 für Muttern, die zu Schrauben 10.9 gehören

Eine Mutter „8“ ist also nicht „schwächer“ – sie ist genau auf die Schraube abgestimmt.

Übersicht der gängigen Festigkeitsklassen

  • 4.6 – einfache Verbindungen, geringe mechanische Beanspruchung
  • 5.6 – weich und dehnfähig, ideal bei dynamischen / schlagartigen Belastungen
  • 6.8 – höhere Festigkeit, aber noch gute Duktilität
  • 8.8 – Standard im Maschinen- & Stahlbau
  • 10.9 – hochfest, für dynamische und starke Belastungen
  • 12.9 – extrem hochfest, aber spröd → nur für sehr spezielle Anwendungen

Warum verwendet man im Behälterbau oft „weiche“ Schrauben wie 5.6?

Im Druckbehälterbau sind Schrauben oft hohen Wechselbelastungen ausgesetzt (Temperaturänderungen, Ausdehnungen, Setzverhalten der Dichtungen).

Eine 5.6-Schraube ist bewusst „weicher“:

  • sie dehnt sich stärker
  • kann Energie aufnehmen
  • bricht nicht spröde
  • passt sich Setzungen und Ausdehnungen an

Hohe Duktilität (Verformbarkeit) ist hier wichtiger als maximale Festigkeit.

Warum nimmt man dort KEINE 12.9?

Eine 12.9-Schraube ist extrem fest – aber:

  • sie ist spröder
  • kaum dehnfähig
  • reagiert empfindlich auf Kerben, Kerbspannungen und Passfehler
  • neigt bei Quer- oder Schwellbelastungen zum Sprödbruch

Bei Druckbehältern ist ein schlagartiger Bruch absolut inakzeptabel → deshalb sind hochfeste Schrauben der Klasse 10.9 oder 12.9 **meist verboten**.

Welche Festigkeitsklasse wählt man in der Praxis?

  • 4.6 / 5.6 – weiche, duktilere Schrauben → ideal bei wechselnden oder stoßartigen Belastungen
  • 6.8 – gute Kombination aus Festigkeit und Dehnfähigkeit
  • 8.8 – Standard für Maschinen, Metallbau und allgemeine Konstruktionen
  • 10.9 – für hohe Vorspannkräfte und dynamische Belastungen
  • 12.9 – nur für Spezialanwendungen (Werkzeugbau, Maschineninnenleben), nie für sicherheitsrelevante Außenverschraubungen

Häufige Fragen zu Festigkeitsklassen

Warum ist eine „höhere Festigkeit“ nicht automatisch besser?

Weil hohe Festigkeit oft mit geringerer Dehnfähigkeit einhergeht. Bei Montagefehlern, Schälkräften oder Schwingungen ist eine zu harte Schraube gefährlich.

Darf ich einfach eine 8.8 durch eine 10.9 ersetzen?

Nein – das verändert Vorspannkräfte, Reibung, Klemmkräfte und kann zu Schäden an Bauteilen führen. Immer nach Vorgabe des Konstrukteurs arbeiten.

Warum ist die zweite Zahl (z. B. „.8“) so wichtig?

Sie definiert die Streckgrenze. Schrauben sollen sich unter Last dehnen, aber nicht plastisch verformen. Die zweite Zahl zeigt, wie weit das möglich ist.

Wie erkenne ich die Festigkeitsklasse auf einer Schraube?

Bei Stahlschrauben steht die Festigkeitsklasse auf dem Schraubenkopf (z. B. 8.8). Edelstahlschrauben tragen Werkstoffkennzeichen wie A2-70 oder A4-80.

Wie finde ich die richtige Festigkeitsklasse für mein Projekt?

Über unseren Schraubenfinder können Sie Schrauben nach Festigkeitsklasse, Werkstoff und Anwendung filtern.